KIRTORF. Glücklich und sichtlich erschöpft sitzt die 7-jährige Summer auf dem gemütlichen Sofa im Wohnzimmer der liebevoll eingerichteten Wohnung und spielt auf ihrem Nintendo DS. Gerade erst ist sie wieder nach Hause gekommen. Dieses Mal hatte es ein bisschen länger gedauert als sonst. Unbeschwert lacht sie mit ihrem Bruder. So, als wäre nichts. Wie ein ganz normales Kind eben. Aber Summer ist schwer krank und das hier ist ihre Geschichte.
Summer hat Krebs. Einen inoperablen und bösartigen Gehirntumor, um genau zu sein. Erst vor wenigen Minuten ist sie von der Chemo-Therapie und der Bestrahlung nach Hause gekommen. Ein straffes Programm, bedenkt man, dass es gerade erst kurz nach 11 Uhr ist. „Wir mussten noch nach ihrem Knie gucken lassen. Das ist dick und tut ihr weh“, entschuldigt Mutter Janine Czmer die Verspätung. Vor wenigen Tagen ist Summer gefallen. Jetzt ist ihr Knie dick und blau. „Es ist verstaucht sagen die Ärzte“, erklärt ihre Mutter. Ob das mit dem Krebs zusammenhängt, ließe sich nicht ausschließen. Das ist aber nur eines der kleineren Übel, wie ihre Mutter erzählt.
Hinter der heute Siebenjährigen liegt bereits ein langer Krankheitsweg und ihre Geschichte findet – so scheint es – kein Ende. „Summer kam als extremes Frühchen auf die Welt, in der 24. Schwangerschaftswoche. Sie war gerade einmal 29,5 Zentimeter groß und wog 410Gramm“, erklärt ihre Mutter Janine. Die ersten zehn Monate nach ihrer Geburt verbrachte Summer im Krankenhaus. Immer an ihrer Seite: Mama Janine. „Sie war noch so Klein und ihr Körper natürlich nicht richtig entwickelt“, sagt Czmer. Es kam wie es kommen musste: Summer musste bereits in ihren ersten Lebenswochen mehrere Operationen über sich ergehen lassen. „Wo soll ich anfangen? Sie wurde am Darm operiert weil sich ein Volvolus, also eine Verschlingung am Darm gebildet hat. Ein Stück vom Darm musste dann entfernt werden. Sie hatte einen künstlichen Darmausgang und ihr Immunsystem war sehr schwach, weshalb die Gefahr einer Lungenentzündung erhöht war“, erzählt Janine.
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Ein emotionaler Augenblick: Mama Janine Czmer zusammen mit Summer auf der symbolischen Hochzeit – einem von Summers größten Wünschen. Foto: Stefanie Wittich by Merci Photography
Mehr als 20 Operationen in sieben Jahren
Mit drei Jahren musste das Mädchen an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden – und Mutter Janine mutierte mehr und mehr zur Krankenschwester. Mehr als 20 Operationen musste die Kleine bisher über sich ergehen lassen. Auch heute muss sie weiter mit den Komplikationen ihrer frühen Geburt kämpfen. Noch immer wird sie künstlich ernährt und ihr dünner, junger Körper kämpft mit einer Essstörung. „Summer hatte durch die ständige Sondierung im Krankenhaus einen Reflux, also das Essen ist immer wieder hoch gekommen. Also wurde eine Fundoplicatio vorgenommen, sodass sie normal essen kann. Das fällt ihr aber heute immer noch ziemlich schwer. Außer es gibt Kartoffelwurst, da ist sie sofort dabei.“ Fundoplicatio, Volvolus, Reflux – Mutter Janine hat eine ganze Reihe medizinische Fachbegriffe lernen müssen, die sie sofort parat hat, wenn es drauf ankommt.
Im vergangenen Jahr schien endlich alles normal zu werden: Summer wurde in der Brüder-Grimm-Schule eingeschult und auch ihr langer Krankheitsweg schien ein Ende zu haben. Doch dann kam alles anders als gedacht. „Eigentlich musste ich mit Jason zum Augenarzt, weil er eine neue Brille brauchte. Da habe ich Summers Augen gleich mit untersuchen lassen. Während der Untersuchung kam es mir schon eigenartig vor und ich machte mir Gedanken“, schildert die Mutter. Sie ließ sich alles genau notieren und schon am nächsten Tag fuhr sie mit den Unterlagen und dem Kind nach Gießen. Auch die Ärzte dort bestätigten die Vermutung: Ein Schatten war zu sehen – eine so genannte Stauungspapille.
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„Wir halten fest zusammen“ – mit zur Familie gehört auch Bruder Jason, der natürlich mit heiratete. Foto: Stefanie Wittich by Merci Photography
Schock und Panik nach Diagnose: „Das riss mir den Boden unter den Füßen weg“
„Eigentlich sind wir wegen etwas positivem hingefahren. Der Port an Summers Hals sollte endlich entfernt werden und dann so etwas. Die Ärzte sagte die eigentliche OP ab und schickten Summer stattdessen ins MRT. Schon am nächsten Tag lag die Diagnose vor: Krebs. Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen“, sagt Janine und reibt sich dabei die Augen. Es schlaucht, sich so intensiv um ein Kind kümmern zu müssen, wie sie es tut. Wieder folgte eine Operation. Dabei wurde der 7-Jährigen ein Loch in den Kopf gebohrt, eine Gewebeprobe entnommen und Hirnwasser abgelassen, um den Druck im Kopf zu entlassen. Sichtlich stolz zeigt Summer bei den Worten ihrer Mutter ihre Narbe. Ihre langen Haare sind mittlerweile kurz.
„Wir haben sie schon mal kurz geschnitten, damit der Schock, wenn sie durch die Chemo fallen, nicht zu groß ist. Und wenn es so weit ist, dann gibt es coole, bunte Tücher“, erklärt Janine und streichelt ihrer Tochter über den Kopf. Anzumerken war der Kleinen bis dahin nichts. „Sie hat ab und zu über Kopfschmerzen geklagt, aber nichts Schlimmes. Da denkt man doch nicht sofort an einen Gehirntumor“, erklärt ihre Mutter. Seit knapp zwei Wochen fährt die Alleinerziehende mit ihrer Tochter täglich in die Klinik. Auf dem Programm. Chemotherapie und Bestrahlung – und das für die nächsten paar Wochen. „Es ist ein straffes Programm, aber ich habe mich mit dem Kampf arrangiert. Anfangs dachten wir, dass der Tumor vielleicht gutartig ist, aber das war er leider nicht. Er liegt zu tief im Gewebe, genau da, wo das Kreislaufzentrum im Gehirn liegt und ist etwa Haselnuss groß – so sah es jedenfalls auf den Bildern aus“.
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Anzumerken ist Summer nichts: Sie spielt, lacht und tollt herum wie jedes andere Kind in ihrem Alter auch. Foto: Stefanie Wittich by Merci Photography
Ein Kampf, den sie gewinnen wollen
Summer weiß, dass sie krank ist – auch wenn sie nicht genau versteht, was das bedeutet. „Sie weiß, dass sie etwas im Kopf hat, was da nicht sein soll“, sagt Janine. Anzumerken ist ihr die Krankheit allerdings nicht. Nebenwirkungen habe sie bislang noch nicht und auch die Blutwerte seien sehr gut. Unterstützend zur Chemotherapie soll Summer Methadon bekommen, das bei der Bekämpfung der Krebszellen helfen soll. Bekommen hat sie es bislang allerdings noch nicht. Außerdem fährt Janine Czmer ab dieser Woche zu einem Heilpraktiker ins unterfränkische Arnstein, der Summer durch eine homöopathische Behandlung unterstützen soll. „Wir haben den Kampf gegen den Krebs aufgenommen und ich greife deshalb jeden Strohhalm. Ziel der Behandlung ist es, dass die Pflanze die Krebszellen abtötet und der Tumor damit kleiner wird“, erklärt sie.
Auch wenn die Mutter nach Außen stark und gefasst wird, bröckelt die Fassade, wenn Summer und ihr Bruder Jason abends im Bett liegen. „Natürlich habe ich Angst und ich bin auch verzweifelt, ich darf es mir aber nicht so anmerken lassen. Ich habe ja auch von meiner Familie sehr viel Unterstützung und Halt“, erzählt die 31-Jährige. Summer stehe erst am Anfang und habe bisher mehr als nur einmal gezeigt, dass sie leben will. Selbstsicher blickt sie vom Küchentisch auf das Sofa, wo ihre Kinder sitzen und ergänzt: „Ich denke eigentlich selten darüber nach, was passiert, wenn wir den Kampf verlieren sollten – ich versuche nicht darüber nachzudenken. Wenn ich es tue, dann nehme ich uns ein Stück Lebensqualität. Summer ist offen und lebensfroh, sie ist ein glückliches Kind und hat oft genug bewiesen, dass sie leben will. Wir leben im Hier und Jetzt und versuchen, den Moment zu genießen. Ich baue keine Luftschlösser aber aufgeben ist nicht“, zeigt sie sich kämpferisch. Und auch die kleine Summer schließt sich dem Kampfgeist der Mutter an. „Wir kämpfen“, ruft das kleine Mädchen ihrer Mutter zu.
Zwei Wüsche, eine Hochzeit und Disneyland
Ein Manko gibt es allerdings doch: Summer ist langweilig. „Mama, ich weiß nicht, was ich tun soll“, sagt sie, nachdem sie ihr Lieblingspuzzel fertig hat. Draußen sind rund 30 Grad, aber Summer darf nicht ins Schwimmbad. „Vielleicht baue ich morgen einen kleinen Pool hier im Garten auf“, überlegt Janine. Sie versucht, Erinnerungen zu schaffen und ihrer Tochter vieles zu ermöglichen. Zwei große Wünsche hat Summer – einer wurde ihr bereits erfüllt.
„Einen Tag nach der Diagnose fragte sie mich plötzlich ob ich sie heiraten will – also haben wir geheiratet, symbolisch natürlich. Sie, ihr Bruder Jason und ich“, sagt Mutter Janine und Summer streckt stolz ihren kleinen silber-goldenen Ring entgegen. Ihr zweiter Wunsch: Einen Ausflug ins Disneyland Paris – sie liebt die Eisprinzessin. Um ihr diesen Traum zu ermöglichen und um die teuren Behandlungen zahlen zu können, sammeln Freunde, Bekannte und Verwandte in der ganzen Region Spenden für die Siebenjährige. Freude und Optimismus, das seien die wichtigsten Sachen für die kleine Familie. „Und Farbe“, ergänzte Janine während Summer mit einer Strähne ihres grell-pinken Haars spielt: „Farbe macht das Leben glücklicher“. Den Rest bringt Summer schon von allein mit: „Jedes Mal, nachdem wir im Krankenhaus waren und sie ihre Chemo bekommen hat, bedankt sie sich dafür bei den Schwestern und zaubert ihnen ein Lächeln ins Gesicht. Ich bin so dankbar, dass sie ein solcher Sonnenschein ist – das macht es auch für mich leichter“, sagt Czmer.
Einen langen Weg musste Summer in ihrem kurzen Leben schon gehen. Und ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende. Summer kämpft weiter. Hastig guckt Mama Janine auf die Uhr. Es ist Zeit zu gehen: „Oh schon so spät, ich muss Summer sondieren“, sagte sie. Für den Tag ist das Schwierigste schon einmal geschafft und das Wochenende steht vor der Tür. Zur Belohnung gibt es einen Filmeabend mit Mama und Popcorn.
Von Luisa Stock
Auch Sie wollen Summer und ihrer Familie helfen?
Ihre Familie sammelt Spenden für die 7-Jährige um sowohl ihre Behandlungen zu bezahlen, als auch den ein oder anderen Wunsch der Kleinen zu erfüllen.
Spendenkonto Summer VR Bank Hessenland eG
Kontonummer: 1190245
BLZ: 53093200
IBAN: DE 26530932000001190245
BIC: GENODE51ALS
Der Beitrag „Da ist etwas in ihrem Kopf, was da nicht sein soll“ erschien zuerst auf Oberhessen-Live.